Was ist eigentlich "Glaube"?

Heißt „glauben“, dass ich etwas vermute?

Das Wort „glauben“ wird umgangssprachlich oft für eine Vermutung verwendet. „Ich glaube“ - und bin mir nicht ganz sicher - „dass Person XY folgendes gesagt hat…“.

Beim christlichen Glauben an Gott handelt es sich nicht um eine Vermutung. Es ist auch nicht nur die Ehrfurcht vor der geordneten Vielfalt in der Welt oder das Gefühl, dass es etwas „Größeres“ geben muss.

Nein, es geht beim christlichen Glauben um „fides“ (lateinisch für „Glauben, Vertrauen, Zutrauen“). Auch das griechische Wort „pistis“ („Treue, Vertrauen“), das in der Bibel benutzt wird, drückt aus, dass ich mich auf etwas verlasse oder sogar mein Leben an etwas binde. Dieser Glaube ist eine Grundhaltung. Eine Grundhaltung des Vertrauens. Es ist mehr als ein Überzeugtsein von der Existenz Gottes. Glauben ist also im Kern etwas ganz anderes, als unser umgangssprachliches „Ich weiß nicht genau“ als Vorstufe zu echtem Wissen.

An wen oder was glaube ich denn?

Christlicher Glaube ist auch nicht das Vertrauen in ein überzeugendes Konzept, sondern in eine Person: Jesus Christus. Aber wie soll man Vertrauen in jemanden gewinnen, wenn wir diesen Jesus heutzutage nicht so unmittelbar wie seine Jünger vor mehr als 2000 Jahren kennen lernen können?

Wir begegnen ihm vor allem im Wort Gottes. Das geschieht ganz praktisch durch das Lesen der Bibel oder das Hören der Predigt in der Kirche. Dort wird deutlich, wer Jesus ist und warum er vertrauenswürdig ist. Aus dem Erkennen der Glaubensinhalte folgt das Vertrauen. Denn für den Glauben ist das „Fides quae“ (der Glaubensinhalt) genauso wichtig, wie das „fides qua“ (der eigentlich Glaubensakt). „Futter“ für meinen Glauben erhalte ich also, wenn ich regelmäßig einen guten Gottesdienst besuche oder selbst zur Bibel greife.

Warum ist der Glaube überhaupt wichtig?

Dem Theologen Martin Luther (1483-1546) haben wir die Wiederentdeckung zu verdanken, dass der Glaube für unsere „Rechtfertigung“ ausreicht. Mit „Rechtfertigung“ ist gemeint, dass der Mensch wieder Zugang und Gemeinschaft mit Gott hat, obwohl unsere Entscheidungen diese Beziehung immer wieder unmöglich machen. Allein der Glaube bewirkt diese Freundschaft mit Gott, die ansonsten von keiner meiner religiösen Anstrengungen oder gut gemeinten Taten wiederhergestellt werden könnte.

Aber Christen sind doch auch nicht besser als Nichtchristen…

Nun könnte ja jemand behaupten, dass es als Christ völlig egal ist, ob ich mich wie das mieseste Ekelpaket verhalte – Gott findet mich doch super, oder?
Auf der einen Seite muss ich mir Gottes unverdiente Zuwendung (auch Gnade genannt) nicht verdienen. Das ist befreiend, denn auch Christen machen Fehler und haben ihr Leben lang mit egoistischen Motiven und falschen Entscheidungen zu kämpfen.
Auf der anderen Seite bewirkt ein gesunder Glaube eine Lebensführung, die von meiner Überzeugung und meinen Werten geprägt ist. Das nennt man dann Frömmigkeit. Ich darf also durchaus die Glaubensäußerungen von Menschen hinterfragen, die völlig anders leben als das, was sie behaupten. Dietrich Bonhoeffer, ein Theologe, der im KZ hingerichtet wurde, hat vor einer „billigen Gnade“ gewarnt. Mein Leben und meine Entscheidungen sind meine ganz persönliche Antwort auf Gottes Liebe. Gottes Vergebung ist keine Schleuderware, die ich zwar mitnehme, aber so weiterlebe wie zuvor.

Und wenn ich Zweifel habe?

Jemandem zu vertrauen ist immer ein Risiko. Jeder, der eine Beziehung führt, weiß das. Und es ist ganz normal, dass dieses Vertrauen auch mal weniger vorhanden ist oder sogar in seinen Grundfesten erschüttert wird. Auch der Glaube an einen Gott, der mich liebt und das Beste für mich möchte, kann durch Schicksalsschläge erschüttert werden. Für die einen ist die Zusage Jesu „Ich bin bei euch alle Tage“ (Matthäusevangelium 28,20) dann ein Trost, für andere ist die Frage nach dem „Warum?“ so schmerzhaft, dass man in der Beziehung zu Gott und beim Vertrauen wieder bei Null anfängt. Aber die Bitte eines Menschen in der Bibel an Jesus „Ich glaube, hilf meinem Unglauben!“ (Markusevangelium 9,24) macht deutlich, dass man sich das Vertrauen auch als Zweifler nicht als eigene Tat abnötigen muss, sondern dabei Hilfe von Gott erwarten kann.

Was kann ich tun?

Vertrauen in eine Person wächst nur, in dem ich Kontakt mit diesem Jemand habe. Das ist bei dem Glauben an Gott nicht anders. Spirituelle Angebote wie das Gebet, das Feiern eines Gottesdienstes mit anderen Christen, der persönliche Austausch über Glaubensfragen oder das Lesen von guten Büchern zum Thema bringen mich in Kontakt mit Jesus Christus und seiner Botschaft. Jeder Christ entdeckt für sich ganz eigene Zugänge: der eine fühlt sich Jesus auf einem Pilgerweg durch die Natur verbunden, der andere blüht in seinem Glauben auf, weil er Bibeltexte tiefgründig untersucht und zu neuen Erkenntnissen kommt. Wieder ein anderer fühlt Gottes Nähe, indem er seine Zeit und Kraft in den Dienst Benachteiligter stellt.

Einen Weg, Kontakt mit Gott zu suchen, hat Jesus seinen Freunden sogar selbst mitgeteilt: das Vaterunser (Matthäus 6,9-13). Es wird von Christen auf der ganzen Welt gebetet:

Unser Vater im Himmel!
Dein Name werde geheiligt.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.

Amen.

 

Glaube im Alltag?


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